Liebe Groupworkerinnen, liebe Groupworker,
Auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Social Grouwprok 2014 ist die Idee geboren, die Autorin des unten vorgestellten Buches nach Deutschland zu holen, damit sie es vorstellen und an Louis Lowy und sein Lebenswerk erinnern kann. Greg Tully (President oft he IASWG) hat der Gesellschaft Unterstützung angeboten, damit sie für dieses Vorhaben auch finanzielle Hilfe des Internationalen Groupworkverbandes erhält. Im August hat sich die Vorbereitungsgruppe mit Jenny Vest, Ulrike Overs, Isabell Gehmen und Klaus-Martin Ellerbrock gegründet. Sie hat vor, die Fachhochschulen im Rheinland als Kooperationspartner zu gewinnen, um so einen Teilnehmerkreis von hoffentlich etwa 100 Personen zu erreichen.
Die Autorin hat Louis Lowy und seine Frau Ditta persönlich gekannt und ist sehr interessiert, die Schülerinnen und Schüler von Heinz Kersting, der selbst Schüler von Lowy war, kennen zu lernen. Dies wird sicher ein besonderer Teil des Aufenthalts von Lorrie Greenhouse Gardella.
The Life and Thought of Louis Lowy – Social Work through the Holocaust
So lautet der Titel des Buches von Lorrie Greenhouse Gardella.
Greg Tully, President der IASWG, hat auf der letzten Jahrestagung des deutschen Chapters der IASWG, der Gesellschaft für Social Groupwork, von dem Buch erzählt und es dem Vorsitzenden des deutschen Chapters geschenkt, worüber er sich sehr gefreut hat.
Groupworker in Deutschland kennen den Namen Louis Lowy als den Urheber des „Developementel Modell“ der fünf Gruppenphasen, als Namenspatron des von Heinz Kersting gestifteten Preises, als einen der wichtigen Lehrer von Heinz Kersting, Lothar Krapohl und Georg Nebel, als Mitbegründer des Social Group Work.
Sie wissen auch von Louis Lowys Geschichte als aus München stammenden Mann mit jüdischen Wurzeln, der den Holocaust in Teresienstadt und Auschwitz überlebt hat und nach seiner Emigration nach Amerika nach Deutschland zurückkam, um hier den Aufbau einer demokratischen Sozialen Arbeit mir seinen Beiträgen zu unterstützen.
Das was Lorrie Greenhouse Gardella in ihrem Buch zusammengetragen hat, ist aber mehr als die Unterfütterung der Eckdaten des Lebens von Louis Lowy. Der Untertitel „Social Work through the Holocaust“ lässt zunächst den Atem stocken. Wie kann etwas so schreckliches, wie der Holocaust, eine Rolle bei der Entwicklung einer Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, ihrer professionellen Haltung und Ethik spielen?
Das Buch stützt sich auf eine Menge Material, das Lorrie Greenhouse Gardella unmittelbar von Louis und Ditta Lowy erhalten hat. Dazu gehören Tonbandaufzeichnungen von Louis Lowy über seine Kindheit in München, London und schließlich in Prag, die Zeit im KZ Tersienstadt und im KZ Auschwitz, seine Odyssee durch Europa, die Zeit der Selbstverwaltung im Displaced Person Center in Deggendorf und die ersten Jahre nach der Einwanderung in die USA.
Das Buch bringt dem Leser den Menschen und den Sozialarbeiter Louis Lowy näher. Es regt an über die eigene Haltung in der Sozialen Arbeit zu reflektieren. Es vermittelt einen zutiefst politischen und sehr radikalen Blick auf Gesellschaft und die Rolle der sozialen Arbeit, ohne moralisch oder gar ideologisch zu sein. Die Haltung Louis Lowys ist geprägt von seiner Liebe zu Menschen, seiner Verantwortung in und für Gruppen, dem unerschütterlichen Glauben an die Stärken und Fähigkeiten der Menschen, an die Hoffnung!
Zu tiefst beeindruckend ist der Teil über seine Zeit in Deggendorf, in der er zusammen mit anderen Bewohnern und dennoch in sehr zentraler Position (er war der gewählte Vorsitzende des Leitungskomitees des Zentrums) eine Selbstverwaltung für ein Lager mit über tausend Menschen aufgebaut hat, die einer Kleinstadt gleichkommt – mit Kindergarten, Schule, Krankenstation, Altenheim, Bibliothek, Kulturangeboten, Wäscherei, verschiedenen Küchen für die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedener Bewohnergruppen, eigener Gerichtsbarkeit und einem Auswanderungsbüro. Die Basis dieser Arbeit war die Überzeugung, dass die Menschen, die hier leben mussten, alle etwas können und einige in ihrem früheren Leben Kompetenzen erworben hatten, die in dieser Situation sehr wertvoll waren.
Aus den traumatisierten Opfern der faschistischen Terror- und Vernichtungsmaschinerie, die sie auch weiterhin waren, wurden gleichzeitig Menschen, die einen Beitrag zur Gestaltung ihres Alltags leisten können.
Seine berufliche Entwicklung geht nach der Einwanderung in diesem Sinne weiter. Er entscheidet sich, soziale Arbeit zu studieren und praktisch in Nachbarschaftzentren zu arbeiten. Von der Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen wechselt er schließlich zur Gruppenarbeit mit Erwachsenen. Das Spektrum der Arbeit des Zentrums in dem er arbeitet, erweitert er schließlich um die Gruppe der Älteren. Dieses Thema und die Interdependenz der Generationen wird sein Werk schließlich lange begleiten. Aber auch hier stehen die Selbstbestimmung und die Fähigkeiten und Selbstorganisation in Verbindung mit der Verantwortung für das Ganze im Vordergrund. Es geht nicht um Versorgen und betreuen, sondern um das Ernstnehmen der vitalen existenziellen Interessen und Bedürfnisse und den Glauben an die Selbstwirksamkeit der Senioren.
In den Sechzigern geht Louis Lowy schließlich in die Lehre und unterrichtet in Bosten an der Schule für Soziale Arbeit.
Ab 1967 reist er alljährlich nach Deutschland und später in verschiedene Länder des alten Kontinents um jeweils für vier bis sehs Wochen Soziale Arbeit zu lehren. An der Akademie für Jugendfragen in Münster lernt auch Heinz Kersting ihn schließlich kennen. Was Heinz besonders hervorhebt, wenn er über Louis Lowy schreibt ist , dass er nicht nur seine Auffassung und Ethik des Groupwork vortrug, sondern die Prinzipien und das Grundverständnisses in dem was er lehrte auch auf seine eigene Lehre anwandte. So wie es Groupworker in der Groupworkausbildung kennen gelernt haben, dass die Ausbildung gelebtes Groupwork ist, so hat es auch Louis Lowy verstanden.
Lorrie Greenhouse Gardella ist es gelungen, indem sie das Leben von Louis Lowy nachzeichnet, auch seine Haltung erlebbar und nachvollziehbar zu machen.
Das Buch ist in vielem hoch aktuell. Es nimmt implizit Stellung zu Themen wie Partizipation, demografischen Wandel, Konzepten des Lernens und lebenslanges Lernen. Nicht zuletzt wirft es die Frage auf, was wir für den aktuellen Umgang mit Flüchtlingsströmen in Europa daraus lernen können. Es stellt den Dogmen von Steuerbarkeit und den Ansprüchen an Effizienz, die auch die Soziale Arbeit heute immer mehr belagern, die Bedeutung von Hoffnung, von Selbstwirksamkeit und Liebe zu den Menschen entgegen.
Klaus-Martin Ellerbrock
Präsident des deutschen Chapters der IASWG